Neues Bodenschutzrecht

Risiken des Grundbesitzes rechtzeitig abklären!

Im bisher geltenden Umweltrecht des Bundes spielte der Boden neben dem Wasser und der Luft nur eine Nebenrolle. Einige Länder schufen deshalb Bodenschutzgesetze, an deren Stelle ab dem 1.3.1999 das neue Bundes - Bodenschutzgesetz trat. Wichtigste Änderungen sind die Haftung des früheren Eigentümers, die Einführung der Durch- griffshaftung bei Kapitalgesellschaften, die Haftungsverschärfung für neue Altlasten und der Innenausgleich unter mehreren Verpflichteten.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Haftung für Altlasten verdeutlicht eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in München vom Juli 1998:
K kauft von V ein Grundstück mit 2000 qm für 150000.- DM. V bestätigt im Vertrag, daß ihm verborgene Mängel z.B. Altlasten i. S. d. Umweltschutzes nicht bekannt seien und
daß er keine Haftung für die Freiheit von Altlasten aus dem Betrieb der früheren Teer- und Seilfabrik übernehmen würde. Bei Abbruch von Betriebsgebäuden werden mehrere betonierte Teerölbecken entdeckt, die z. T. noch mit Teeröl gefüllt sind. Bei weiteren Untersuchungen ergibt sich eine bereits etwa 20 Jahre dauernde Verunreinigung des Erdreiches unterhalb der Teerölbecken. Die Phenolgehalte übersteigen das 500-fache der Richtwerte des Landesministeriums. Das Grundstück liegt im Einzugsbereich eines Trinkwasserbrunnens. Nachdem K die Sanierung nicht durchführte, macht dies die Behörde selbst und verlangt den dafür aufgewendeten Betrag von ca. 460000.- DM von K. Das Gericht gibt der Behörde recht: Die Sanierungsverpflichtung kann auch den Wert des Grundstückes überschreiten. Das neue Gesetz gibt dem Käufer zwar einen
Ersatzanspruch gegen den Verkäufer als dem Verursacher. Dieser Anspruch steht aber oft nur auf dem Papier, nachdem die Behörde sich sicherlich mangels Bonität auch nicht an den Verkäufer gehalten hat, obwohl auch dieser hätte zahlen müssen. Zivilrechtliche Ansprüche zwischen den Vertragsparteien werden hier nicht betrachtet.

Das Gesetz berührt nicht nur den Grundstücksverkehr selbst, sondern auch darüber hinaus Anlagenbetreiber, die Versicherungs- und die Kreditwirtschaft, alle Handwerker und Unternehmen, die auf den Boden einwirken oder dies zumindest können.

1. Eingriffsgrundlagen

Hierbei sieht das Gesetz bei schädlichen Bodenveränderungen und insbesondere bei Altlasten die im Öffentlichen Recht übliche Ermittlungspflicht der Behörde vor, deren Kosten sie auch zu tragen hat. Das Handeln der Behörde wird regelmäßig durch das Erreichen der sog. Prüfwerte (festgelegt in der Verordnung zum Gesetz) ausgelöst.
Bei diesem hinreichendem Verdacht auf Grund konkreter Anhaltspunkte für schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten kann die Behörde aber auch den noch zu bestimmenden Verursacher (s. 2.) verpflichten, die notwendige Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung selbst und auf eigene Kosten durchzuführen. Für den Fall, daß sich der Verdacht nicht bewahrheitet, besteht hier wie bei anderen Maßnahmen, die ein Betroffener nach diesem Gesetz vornimmt, ein Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Behörde.
Bei größeren Altlasten (Altablagerungen, Altstandorten) hat die Behörde noch zusätzlich die Möglichkeit, weitergehende Sanierungsuntersuchungen vom Verpflichteten
durchführen und einen Sanierungsplan auf dessen Kosten aufstellen zu lassen.
Darüber hinaus kann sie auch die Durchführung von Eigenkontrollen zur Überprüfung der Wirksamkeit von Sanierungsmaßnahmen durch den Betroffenen und auch auf dessen Kosten verlangen.

2. Inhalt der gesetzlichen Pflichten

Schadensverursacher und Gesamtrechtsnachfolger
Wie in der Einleitung angedeutet bringt das Gesetz wesentliche Verschärfungen bei dem Kreis der Sanierungsverpflichteten. Schon bisher traf diese Pflicht den Verursacher und
nach umstrittener Auffassung auch dessen Gesamtrechtsnachfolger (z. B. bei Erbschaft, Firmenfortführung nach § 25 Handelsgesetzbuch, Übernahme einer juristischen Person durch eine andere nach den Vorschriften über die Übernahme und Verschmelzung von Unternehmen). Der zweite Fall ist nun ab dem 1.3.1999 unstreitig.

Eigentümer

Die Verantwortung des Eigentümers als Zustandsstörer besteht schon bisher. Die Tragweite dieser Pflicht zeigt sich bei ihm darin, daß er sich nach herrschender Meinung auch nicht darauf berufen kann, daß der Umfang der von ihm zu tragenden Sanierungskosten den Wert des Grundstückes übersteigt (s. Eingangsbeispiel). Eine solche Regelung zum Schutz des Eigentümers hat der Vermittlungsausschuß im Gesetzgebungsverfahren gestrichen. Auch eine vertragliche Regelung über die Verteilung der Sanierungskosten unter den Parteien eines Grundstückkaufvertrages bindet die Behörde nicht.

Früherer Eigentümer

Bei einem Eigentumsübergang (Grundbucheintragung) ab dem 1.3. 1999 haftet auch jeder(!), der früher und nach dem 1.3.1999 Eigentümer eines Grundstückes war, wenn
er die schädliche Bodenveränderung im Zeitpunkt der Übertragung auf den Käufer zumindest kennen mußte oder tatsächlich kannte. Geschützt wird dagegen derjenige frühere Eigentümer, der im Zeitpunkt des eigenen früheren Erwerbes auf die Altlastenfreiheit vertrauen konnte.
Da insbesondere Gewerbebetriebe typische Schadensrisiken haben, wird dieses Kennenmüssen beim Eigentümer nur selten entfallen. Die Pflicht soll ewig dauern.
Eine Abhilfemöglichkeit bietet ein öffentlichrechtlicher Vertrag mit der Behörde über Freigabe aus der Haftung aus der Alteigentümerhaftung, für die aber sicherlich eine Gegenleistung in Form einer Sanierungsmaßnahme zu bezahlen ist.
Bei einem Grundstücksvertrag mit der Verpflichtung des Käufers zur Sanierung gegen Kaufpreisermäßigung muß sich der Verkäufer Sicherheiten bestellen lassen, falls er doch
von der Behörde verpflichtet wird. Denn diese ist ja an den Vertragsinhalt nicht gebunden. Der Verkäufer muß sich insbesondere gegen die Vermögenslosigkeit des Käufers absichern.

Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück

Die Sanierungspflicht kann auch schon nach bisherigem Recht neben dem Eigentümer auch den Inhaber der tatsächlichen Gewalt treffen, also den Besitzer, Mieter, Pächter,
oder den Erbbauberechtigten. Ein Haftungsrisiko nimmt auch ein Gläubiger, z. B. eine Bank, auf sich, der aus Verwertungsinteressen umfangreiche Maßnahmen auf dem Grundstück des Schuldners trifft, indem er es aufräumt, ordnet oder ähnliche Maßnahmen in Abstimmung mit dem Eigentümer trifft.

Durchgriffshaftung

Bei juristischen Personen, nicht bei Personengesellschaften, kann bei der Sanierungspflicht durch die neu geschaffene Durchgriffshaftung auch auf die natürlichen Personen durchgegriffen werden, die für die juristische Person einzustehen haben. So sind die Gesellschafter bei Unterkapitalisierung einer Kapitalgesellschaft, die im Rahmen einer Unternehmensaufspaltung oder Konzernbildung im wesentlichen nur kontaminierte Grundstücke erhalten hat, selbst sanierungspflichtig.
Auswahl des Haftenden durch die Behörde.
Bei der Auswahl des zur Sanierung verpflichteten Beteiligten kann die Behörde dem Gebot der Effektivität folgen. Materielle Erwägungen zur Schadensverursachung muß sie nicht anstellen. Wer genügend Geldmittel zu Sanierung hat, ist am ehestens gefährdet, verpflichtet zu werden. Wie bereits erwähnt bindet eine zivilrechtliche Abrede unter mehreren potentiell Verpflichteten die Behörde bei ihrer Entscheidung, wen sie heranziehen will, nicht. Deshalb helfen hier auch vertragliche Regelungen nicht weiter. Eine gewisse Milderung bringt der neue Innenausgleich unter mehreren Verpflichteten (s. 3).

Nutzungsbezogene Sanierung

Nun ist aber nicht in jedem Fall eine vollständige Beseitigung der Altlasten durch Dekontaminierung oder Sicherungsmaßnahmen, die eine weitere Ausbreitung verhindern, notwendig. Das Gesetz zieht schon dort eine Grenze, wo dies aus technischen Gründen unmöglich oder wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist (Verbot der Luxussanierung).
In Betracht kommen dann Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen (z. B. Nutzungsbeschränkungen). Außerdem lohnt sich gerade hier für den Betroffenen eine genaue Prüfung planerischer Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Behörden. Für einen Parkplatz etwa im Unterschied zu einem Kinderspielplatz oder einer Wohnbebauung kann die Altlast, wenn sie sich nicht ins Grundwasser ausbreiten kann, im Boden verbleiben und muß nur gesichert werden: es genügt eine Abdeckung einer Altlast mit einer Bodenschicht oder eine Versiegelung. Mit einer Änderung des Flächennutzungs- oder des Bebauungsplanes läßt sich hier viel Sanierungsaufwand einsparen. In diesem Zusammenhang muß den Behörden auch verdeutlicht werden, daß angesichts knapper Mittel bei allen Beteiligten eine rasche Lösung besser ist als das lange Warten auf eine perfekte Lösung, die vielleicht nie kommt. Insbesondere das Argument Sicherung von Produktionsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen kann hier eine Rolle spielen.

Der Umfang der Sanierung wird aber begrenzt durch die zulässige Nutzung, es gibt kein Heruntersanieren auf Null.
Für nach dem 1.3.1999 neu eintretenden Kontaminierungen sieht das Gesetz allerdings einen strengeren Vorrang der Beseitigung vor , eingeschränkt durch einen Gutglaubensschutz bezogenauf den Zeitpunkt der Verursachung.

Verbindliche Grenzwerte

Die Verordnung vom Juli 1999 mit 13 Paragraphen und 4 umfangreichen Anlagen ergänzt und erläutert das Gesetz. Für den Praktiker vorrangige Bedeutung hat die Anlage 2, die Prüf- und Maßnahmewerte festlegt. Bei Überschreiten der Prüfwerte wird die Behörde Feststellungen treffen, ob eine Altlast vorliegt. Bei Überschreiten der Maßnahmewerte entstehen Sanierungspflichten für die Verantwortlichen. Angesichts der vielfältigen Schadstoffe und deren Wirkungen muß sich die Verordnung beschränken auf einzelne Werte und deren Wirkungen. Nicht erfaßte Sachverhalte muß die Verwaltung unter Beachtung des der Verordnung zu Grunde liegenden Gefahrenniveaus beurteilen.
Eine automatische Übernahme bisheriger teilweise höherer Werte aus den Listen der Länder ist nicht mehr möglich. Die Werte in der Verordnung sind zudem nicht auf Grund wissenschaftlicher Bewertungen von signifikanten Steigerungen der Gefahren bei Erreichen einzelner Schwellenwerte bestimmt worden, sondern beruhen auf vielfältigen Kompromissen, auch noch im Beratungsverfahren der Verordnung.

3. Zahlungsansprüche und Wertausgleich

Bei den Zahlungsansprüchen wurde eine teilweise schon in den Ländergesetzen vorgesehene Regelung übernommen, nach der ein Ausgleich unter mehreren Verpflichteten
nach dem Grad der Verursachung möglich ist. So kann ein Eigentümer, der von der Behörde allein verpflichtet wird, den Verursacher der Kontamination in Anspruch nehmen. Dies gilt aber erst für Zahlungsverpflichtungen ab dem 1.3.1999. Da das Gesetz ausdrücklich eine andere vertragliche Vereinbarung vorsieht, besteht bei der Übertra gung von Grundstücken mit Altlastenverdacht hierbei in jedem Falle Regelungsbedarf. Insbesondere bei langjährigen Kontaminationen eines Grundstückes durch mehrere Voreigentümer oder bei gleichzeitiger Bodenschädigung durch mehrere Beteiligte läßt sich die im Gesetz vorgesehene Kostenverteilung nur durch schwierige und kostenaufwendige Begutachtungen durch Sachverständige bestimmen.

Der Wertausgleich soll die Wertsteigerung eines Grundstückes abschöpfen, die eine Sanierung durch die öffentliche Hand geschaffen hat. Diese ungerechtfertigte Bereicherung soll ihm nicht verbleiben. Der Anspruch wird durch eine öffentliche Last gesichert, entfällt in Härtefällen und verjährt in 4 Jahren.

4. Umgang mit dem neuen Gesetz

Um zu in inhaltlicher, finanzieller und zeitlicher Hinsicht überschaubaren Planungen zu gelangen, ist es empfehlenswert ist, die Sanierungspflicht in die Rechtsform eines Ver-
trages zu kleiden. Dieser gibt dem Beteiligten eine größere Sicherheit bei späteren Änderungen des umweltrelevanten Schadensrisikos, z.B. spätere Veränderung der Prüf- oder Grenzwerte. Denn es ist keine Verfügung der Behörde möglich nach einer vertraglichen Regelung, sondern es muß von ihr die Anpassung oder der Wegfall der vertraglichen Geschäftsgrundlage geltend gemacht oder eine Leistungsklage der Behörde gegen den Vertragspartner erhoben werden. Falls die ursprüngliche Vertragspflichten vom Unternehmer durch Sanierung erfüllt wird, ist meist keine weitere Vertragsanpassung möglich. Dies muß jedenfalls das Verhandlungsziel sein. Die Behörde muß sich früher und klarer als beim einseitigen Handeln mittels Verwaltungsaktes auf das tatsächlich Machbare festlegen. Der Sanierungsprozeß wird dadurch aber besser steuerbar. Die Kooperation des technischen Sachverständigen für die Sanierungsplanung mit dem Juristen bei der Vertragsgestaltung ist dabei notwendig.
Der Handlungsbedarf ist bei Behörden jetzt noch eher gering. Das neues Gesetz ist erst noch zu erproben. Es gibt nur geringe staatliche Sanierungsmittel. Aber Entwicklung kommt langsam in Gang. Wann ist deshalb der beste Handlungszeitpunkt? Sicherlich am Anfang, wenn die Entscheidungen noch nicht alle in Verwaltungsregeln und Rechtsprechung festgezurrt sind. Aus unternehmerischer Sicht ist zu beachten: jede Veräußerung eines altlastenverdächtigen Grundstückes wird zum Problem, jede Umbilanzierung, aber auch jede bauliche Nutzung eines Grundstückes. Besser ist also ein Modellfall am Anfang als eine Ladenhüterlösung viel später unter dem Druck einer
behördlichen Verfügung. Auch der Ehrgeiz der Beteiligten auf der politischen Ebene nach einer vorzeigbaren Musterlösung kann helfen.

Festzuhalten ist , daß die Waffen des Gesetzes wesentlich schärfer werden, daß aber eine im eigenen Interesse des Eigentümers frühzeitige und umfassende Sanierungsplanung
auch unter dem neuen Gesetz gute Ergebnisse bringen kann. Die Zeit heilt aber sicherlich keine Altlastenwunden. Insbesondere im Vorfeld von Investitions- oder Kaufentscheidungen besteht rechtzeitiger Handlungsbedarf für bodenschutzrechtliche Maßnahmen.
Das Sprichwort: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß gilt hier sicherlich nicht. Es gibt aber keine Verjährung, kein Untergang des Anspruchs gegenüber dem Haftenden. Selbst wenn die Behörde jetzt nicht handelt, die Liste der Eigentümer wächst unaufhaltsam mit jedem Eigentümerwechsel, damit die Zahl der Haftenden.