§ 24 Abs. 2 BBodSchG im Praxistest:

Zur Entscheidung des LG Stuttgart vom 21.12.2001 - 13 0 23/01 –

Der neue § 24 Abs. 2 sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die Gerechtigkeitslücke schließen, die von der Literatur zuvor genauso beharrlich kritisiert wie sie von der Rechtsprechung negiert wurde . Schon mit der Reform wurde die Frage nach der Tauglichkeit der neuen Regelung gestellt. Diskutiert wurden Fälle, wo ein Grundstück schon seit mehr als einem Jahrhundert durch viele Hände gegangen war oder wo einzelne Flächen gleichzeitig unterschiedlich genutzt wurden . Im Fall des LG Stuttgart war die Nutzungsgeschichte des vom Zustandsstörer zu sanierenden Grundstücks zwar nicht so lange, der Ablauf des Gerichtsverfahrens verstärkt aber die Zweifel an der Tauglichkeit der neuen Regelung.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: Auf einem Grundstück stand dieselbe Reinigungsmaschine zur Reinigung von Kleidungsstücken vor deren Auslieferung durch den Hersteller an seine Händler an derselben Stelle während der Nutzung des Grundstücks durch zwei aufeinander folgende Pächter. Der erste nutzte es und reinigte von 1966 bis 1970, der zweite anschließend bis 1982. Die Ermittlungen des Landratsamtes führten dann dazu, daß der spätere Erwerber des Grundstücks zur Sanierung herangezogen wurde. Er wollte seine Kosten von dem zweiten Pächter zurück haben, da der erste Pächter nicht mehr auffindbar war.
Zunächst sollen einige Fragen dargestellt werden, die mit dem neuen § 24 Abs. 2 verbunden werden.

Die Ermessensentscheidung der Behörde bei der Störerauswahl konnte schon bisher unter dem Gesichtspunkt der Effizienz erfolgen und nicht nach der materiellen Gerechtigkeit der Verursachung. Das bedeutet im Regelfall: Wer jetziger Eigentümer ist, saniert, es sei denn, er ist offensichtlich ohne Finanzmittel (" deep-pocket-liability" ). Gewichtiger ist allerdings die mögliche materielle Folge aus der neu geschaffenen Regelung des § 24 Abs. 2, daß nämlich die Auswahlentscheidung nun nach einem groberen Raster getroffen werden kann, weil ja danach eine genauere zivilrechtliche Korrektur möglich geworden ist.

Auch zur zeitlichen Anwendung des § 24 Abs. 2 gehen die Meinungen auseinander. Im Kern geht es um die Frage: Werden nur solche Sanierungen erfaßt, die nach dem
1.3.1999 begonnen wurden oder auch die damals schon laufenden ?
Während der Text des § 24 Abs. 2 ausdrücklich nur von einem Rückgriff des Zustandsstörers gegen den Handlungsstörer spricht ("verursacht worden ist" in Satz 2 1. Halbsatz), ist bald die Frage gestellt worden, ob auch unter mehreren Zustandsstörern einerseits oder unter mehreren Handlungsstörern andererseits ein Rückgriff möglich ist .
Im ersten Fall kann dies nach der Kopfzahl oder den Eigentumsanteilen erfolgen, im zweiten Fall nach den Verursachungsbeiträgen.

Aus dem eingangs zitierten Beispiel aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich schon, daß die Fragen des Kausalitätsnachweises und möglicher Beweiserleichterungen für die
Anwendung des neuen Rechts eine besonders wichtige Rolle spielen. Zwar hat der VGH Baden-Württemberg klargestellt, daß die Verursachung der bodenschutzrechlichen Gefahr mit Sicherheit feststehen muß . Eine Schwachstelle des § 24 Abs. 2 liegt darin, daß Zivilrichter nicht immer in der Lage sind, sich in diese öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen einzudenken. Die gleiche Ausgangsfrage hat auch zur Diskussion von Beweiserleichterungen oder sogar einer Beweislastumkehr geführt.

Das größte Risiko für die Anwendungsmöglichkeit des § 24 Abs. 2 geht aber von der Frage der Anwendung der nur 6- monatigen Verjährungsregelung nach § 548 BGB n.F (bisher § 558) bei allen Miet- und Pachtverhältnissen aus, die ja im Bereich des § 24 Abs. 2 meist vorliegen. Denn Altlasten sind für den Eigentümer nach der Beendigung eines Vertrages kaum in dieser kurzen Frist festzustellen und einzuklagen. Er müßte also zur Sicherheit bereits beim Vertragsabschluß die Verjährung verlängern. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der kurzen zivilrechtlichen Verjährung keine Regelung getroffen, die § 548 auch hier gelten läßt, obwohl er in § 24 Abs.2 eine weitere Verjährungsregelung getroffen hat. Das Schweigen des Gesetzgebers läßt sich nur so verstehen, daß § 548 hier nicht gelten soll.
Im vorliegenden Fall ging das Gericht auf die Frage der Verjährung nicht mehr ein. Der bestellte Sachverständige konnte nicht darlegen, daß von dem zweiten Betrieb eine Gefahr ausgegangen war, obwohl dieser die Reinigungsmaschine immerhin über 12 Jahre in einer Zeit betrieben hatte, wo die Gefährlichkeit des Reinigungsmittels noch nicht bekannt war. Mit dieser Aussage hätte der Kläger leben können, wenn der Sachverständige eine Isotopenuntersuchung durchgeführt hätte, die zumindest bei Verwaltungsgerichten schon bekannt ist . Die Produktion des Reinigungsmittels Per ist etwa Mitte der 70er Jahre umgestellt worden, so daß eine Iosotopenuntersuchung den Anteil des "neuen" Reinigungsmittels hätte ergeben können, das angesichts des Beginns des zweiten Pachtverhältnisses 1970 auch vom zweiten Pächters stammen mußte. Dafür spricht auch die Höhe der auch jetzt noch vorhandenen Boden- bzw. Wasserbelastung von 0,44 Milligramm/l. Der Prüfwert für LHKW beträgt nur 10 Mikrogramm/l, so daß auch ein nicht in der BBodSchV ausdrücklich festgelegter Maßnahmewert überschritten ist. Eine für den Nachweis der bodenschutzrechtlichen Gefahr und damit auch für die Sanierungs- bzw. jetzt die Erstattungspflicht des verklagten zweiten Pächters ausreichende Eignung des Beweisantrags auf Isotopenuntersuchung lag deshalb vor. Infolge von richterlicher Unkenntnis wurde das unrichtige Gutachten trotz der Hinweise des Klägers dem Urteil zugrunde gelegt. Insbesondere war es für den Kläger ärgerlich, daß der Gutachter aus einem bekannten Büro es offensichtlich nicht für nötig erachtete, sich einschlägige Kenntnisse über das Verfahren zur Isotopenuntersuchung zu verschaffen. Denn dazu hätte er sich eines weiteren Instituts bedienen müssen, was mehr Arbeit und wenig mehr Gutachterhonorar bedeutet hätte. Dies zeigt die oben dargelegte Gefahr auf, wenn Fragen des Umweltrechts ausnahmsweise an eine andere Gerichtsbarkeit gelangen.
Wenn auf Grund der genannten Isotopenuntersuchung der sichere Nachweis hätte geführt werden können, daß die Belastung des Wassers durch den zweiten Pächter den Maßnahmenwert überschritten hat, dann hätte sich die Ausgleichsfrage im Verhältnis der beiden Pächter gestellt. Bei gleich intensiver Maschinennutzung wäre dabei eine Verteilung nach Jahren in Betracht gekommen. Diese Kürzung des Anspruchs hätte sich aber nicht der hier klagende Zustandsstörer anrechnen lassen müssen. Er hätte seinen vollen Sanierungsaufwand verlangen können.