Die Baulast

Vortrag beim 20. Verwaltershop des Verbandes der Immobilien-Verwalter Baden-Württemberg e.V. am 25/26.11.2010 in Bietigheim Bissingen: Miet-, WEG-Recht und Umweltrecht

Last, List und Lust beim Umgang mit der Baulast.

Praktische Hinweise und Fälle zur Baulast.

A. Einleitung

Im Rahmen des Autorenteams der WE habe ich seit einem Jahr die Betreuung öffentlich - rechtlicher Fragen entsprechend meinem beruflichen Vorleben vor meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in Reutlingen übernommen. Dieser Aufgabenverteilung entspricht auch mein Thema heute, zu dem ich zu Ihnen sprechen darf. Das Wohnungseigentum wird zwar nicht direkt durch eine Baulast berührt, die Nutzungsmöglichkeiten des Wohnungseigentums sicherlich. Einschränkend muß ich darauf hinweisen, daß ich für die Teilnehmer aus Bayern und Brandenburg nichts bieten kann, weil dort die Baulast nicht landesrechtlich eingeführt worden ist. Dort verwendet man Grunddienstbarkeiten zwischen den beteiligten Eigentümern einerseits und zwischen dem belasteten Eigentümer und der Gemeinde als Bauaufsichtsbehörde andererseits eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit. Diese Regelung kann dann aber nur im Zivilrechtsweg durchgesetzt werden.

Bevor ich diese Teilnehmer aber auf das nicht existierende Damenprogramm verweise, möchte ich sie auffordern, einmal nachzudenken, ob sie in einem anderen Bundesland eine Erbtante oder -onkel haben, bei dem sie sich schon lange unentbehrlich machen wollten. Ständiges Lernen und globales Handeln ist auch hier angesagt. Bevor ich in das Thema einsteige, noch ein Hinweis auf mögliche Vorgängerregelungen. Schauen Sie auch nach, ob es nicht wie in Baden-Württemberg Eintragungen auf Grund von altem Recht vor den Bauordnungen Ihres Bundeslandes gibt, die regelmäßig in den 60 er Jahren entstanden sind. In Baden-Württemberg gibt es z.B. Bau- und Straßenrecht aus den Zeiten des Deutschen Reiches, das nach 1900 geschaffen wurde und Belastungen im sog. Baulastenbuch vorsah.

Noch ein methodischer Hinweis: Ich folge bei meinem Vortrag bewußt nicht den Regeln der Rechtssystematik, sondern will Ihnen die Baulast an Hand von praktischen Fällen verständlicher machen. „Mitten im Leben“, wie immer, wenn einer der Beteiligten Helmut heißt. Diesen Hinweis schulde ich meinen juristischen Kollegen, die ja aus der Fachliteratur den üblichen Aufbau und die Gliederung des Themas kennen. Ich habe meinen Vortrag auf ca. 30 Minuten beschränkt, so daß Sie dann Fragen stellen können. Wenn das nicht die verbleibende Zeit füllt, kann ich noch weitere Fälle nachschieben.

B. Zum Eingewöhnen: Klassische Konfliktfälle zur Baulast

1. Fall: Der Reiz des Maßgeschneiterten:

Auch wenn mich mein täglicher Weg in die Kanzlei an Metzingen vorbei führt, gebe ich Ihnen zur Baulast diesen Rat: Kaufen Sie nichts von der Stange. Im praktischen Fall lag eine beiderseitige Baulast auf einem Grundstück neben den Wohngrundstücken von A und B, die hintereinander an der Straße wohnten, A vorne und B hinten. Sie kennen den Fall aus der WE 4/00. Ich zeige Ihnen hier nur noch den Lageplan (Folie 1) und den Text der Baulast „von der Stange“ des zuständigen Bauamtes (Folie 2). B hatte damit einen Freibrief, den er auf Grund des größeren Grundstückes ausnutzen konnte. Im vorliegenden Fall ist noch nicht einmal die schlechteste Variante für A eingetreten, nämlich die Nachverdichtung durch Änderung Änderung des Bebauungsplanes. Eine Formulierung der Baulast, die solche nachträgliche Erweiterungen ausschließt, zeige ich Ihnen noch ( Folie 3).Damit wird das Gebäude, dem die Baulast zur Erschließung verhalf, genau begrenzt.

2. Fall: Resi, i hol di mit’m Traktor ab

Wenn eine Zufahrtsbaulast in ländlichen Gebieten auch mit dem Traktor befahren werden sollte, dann ist dies doch sicherlich nicht überall üblich. Nun hat das OVG Münster zwar in einer Entscheidung von 1992 gesagt, daß die Zufahrt sich durch die typische Nutzung eines Gebäudes bestimmt. Aber auch da können natürlich Fragen im Detail stecken. Gehören auch Feuerlösch-, Rettungs-, Ver- und Entsorgungsfahrzeuge dazu (s.a.8. Fall)? Und auch der verliebte Traktorfahrer in der Stadt?

3. Fall: Der Mauerfall

In der genannten Entscheidung des OVG Münster hatte das Gericht auch darüber zu entscheiden. Die Zufahrtsbaulast enthielt die Verpflichtung, einen nach Lage, Länge und Breite, bestimmten Streifen von baulichen Anlagen und sonstigen Hindernissen freizuhalten so daß der Zugang ermöglicht wurde. Im Lageplan zur Baulast war aber eine schon anfänglich vorhandene Steinmauer, die auch die Zufahrt zur Straße sperrte, nicht eingezeichnet. Die Stadt verlangte zwar die Beseitigung der Mauer. Das VG gab ihr auch recht. Aber das OVG entschied, daß die Handlungspflicht zur Beseitigung der Mauer in der Baulast nicht genau genug umschrieben war.

4. Fall: Das Phantom der Baulast

Die Rechtsfrage ist sicherlich weithin bekannt, obwohl sie noch 1978 vom BGH entschieden werden mußte. Ein Grundstück wurde lastenfrei und ohne Gewähr für Größe und Beschaffenheit verkauft. Im Baulastenverzeichnis stand aber eine Baulast, die der verstorbene Ehemann der Verkäuferin früher bestellt hatte. Der Käufer konnte sich nicht auf Schadensersatz nach dem Kaufrecht berufen, denn die Baulast ist kein privates Recht, was in § 434 BGB nur erfaßt ist.

5. Fall: Baulastenverzeichnis: true lies?

In allen Ländern außer Baden-Württemberg wird die Baulast wirksam durch Eintragung in das von der Gemeinde oder der Bauaufsichtsbehörde geführte Verzeichnis, in Baden-Württemberg schon mit dem Zugang der Erklärung bei der Behörde: Die Eintragung begründet hier jedoch keine Rechte mehr. In den anderen Bundesländern ist die Eintragung rechtsbegründend.

Wer also in das Verzeichnis Einsicht nehmen will, um auch künftige Belastungen eines Grundstückes festzustellen, muß auch nachfragen, ob Anträge auf Eintragung gestellt sind, die noch nicht bearbeitet worden sind. Und wenn wie in Baden-Württemberg die Erklärungen nicht nur bei der Baurechtsbehörde, sondern auch bei der Gemeinde abgegeben werden können, dann muß man auch dort nachfragen, ob es Anträge gibt. Eine Sicherheit für den Grundstückserwerber gibt nur eine Auflassunsvormerkung.

In einem Fall des VGH Mannheim von 1992 wurde allerdings die Baulasterklärung erst nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung abgegeben. Hätte der Verkäufer diese Erklärung zuvor schon abgegeben, wäre die Auflassungsvormerkung zu spät gekommen. Es lohnt sich also auf alle Fälle, auch nach Eintragungsanträgen zu fragen, um ein Windhundrennen zu vermeiden. Auch eine spätere Baulast kann eine bereits zuvor begründete nicht mehr einschränken. Wichtig ist die Feststellung,daß das Baulastenverzeichnis anders als das Grundbuch keinen öffentlichen Glauben besitzt. Weder das Vertrauen in die Vollständigkeit noch in die Richtigkeit ist geschützt (Verweis auf H).

C. Öffentliches und privates Recht

Durch die Bestellung einer Baulast entsteht nur eine Verpflichtung des belasteten Eigentümers gegenüber der Baurechtsbehörde, nicht jedoch gegenüber dem begünstigten Nachbar. Er hat keine durchsetzbaren privaten Rechte gegenüber dem Belasteten. Dies hat die Rechtsprechung in unterschiedlichen Fallkonstellationen beschäftigt, die nachfolgend zur Verdeutlichung des Problems auszugsweise wiedergegeben werden sollen.

6. Fall: Baulast gegen Geld

Der Bauträger bestellte, um die Genehmigung seines Baugesuchs zu erreichen, auf seinem benachbarten Grundstück eine Baulast für die notwendigen Stellplätze. Die Hauskäufer benutzten die so geschaffenen Plätze ohne vertragliche Abrede, für die die neuen Eigentümer, an die der Bauträger später das Grundstück mit den Stellplätzen verkauft hat, ein Entgeld verlangen. Der BGH entschied 1983, daß die Hauseigentümer keine zivilrechtlichen Ansprüche auf Nutzung aus der Baulast hätten. In einer Entscheidung von 1994 entschied der BGH positiv über einen Anspruch des Belasteten aus § 812 BGB nach Beendigung des zivilrechtlichen Nutzungsverhältnisses, das zulässigerweise vom Belasteten gekündigt worden war. Für die zivilrechtlich nun geschuldete Löschung der Baulast müsse der Begünstigte für die Schaffung der Stellplätze an anderer Stelle sorgen, weil der Nachweis der Stellplätze öffentlich-rechtlich weiter gefordert werden kann. Natürlich kann der von der Baulast belastete Grundstückseigentümer von der Behörde, der gegenüber er die Verpflichtung übernimmt, keine Gegenleistung verlangen.

7. Fall: Die gestreute Baulast

Diese Pflicht aus der sog. Verkehrssicherungspflicht obliegt dem belasteten Eigentümer auch dann, wenn er einer Baulast zugestimmt hat. Diese Pflichten gehen also nur dann auf den Begünstigten über, wenn solches vereinbart worden ist. Der VGH Baden-Württemberg hat dies 1975 am Rande in einer Entscheidung ausdrücklich erwähnt.

8. Fall: Vom Notwegrecht zur Baulast

Öffentlich-rechtlich erfordert die Erschließung eines Grundstücks als Voraussetzung seiner Bebaubarkeit, daß auch Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen anfahren können (s. 2. Fall). Wenn dies aber nicht gegeben ist und zivilrechtlich ein Zugang nur als sog. Notweg über ein fremdes Grundstück möglich ist, dann ist der mit dem Notwegrecht Belastete nicht darüber hinaus verpflichtet, eine Baulast zur Erschließung einzuräumen. Dies hat der VGH Baden-Württemberg 1981 verneint. Daß die Dinge hier fein voneinander zu trennen sind, zeigt eine Entscheidung des BGH von 1990, nach der das Miteigentum zweier Grundstückseigentümer an einem gemeinsamen Erschließungsgrundstück zur Bestellung einer Baulast verpflichten könne. Hierbei spielte auch eine mit der erstrebten Baulast deckungsgleiche Grunddienstbarkeit eine Rolle (s. 9. Fall).

9. Fall: Von der Grunddienstbarkeit zur Baulast

Diese liegen, wie die erwähnte Praxis in Bayern zeigt, nahe bei der Baulast, wenn sie auch zivilrechtlicher Natur sind. Wenn auch eine solche Grunddienstbarkeit bestellt worden ist, die inhaltlich einer Baulast entsprach, hat es der BGH er abgelehnt, aus dieser Grunddienstbarkeit alleine auch einen Anspruch auf eine Baulast herzuleiten. Allerdings hat er seine insoweit seit 1989 eindeutige Rechtsprechung 1994 für den Fall modifiziert, wo zivilrechtlich neben der Grunddienstbarkeit auch noch ein schuldrechtlicher Vertrag bestand. Dann könne die Auslegung dieses Vertrages auch einen Anspruch auf eine Baulast begründen.

Schon 1990 (s. 8. Fall) hat er unter gewissen Bedingungen bei einer mit der Baulast deckungsgleichen Grunddienstbarkeit und der Notwendigkeit der Baulast zur Ausnutzung des Grundstückes einen Anspruch ausnahmsweise doch bejaht. Er griff bei der Bejahung eines Anspruchs auf die Baulast auf so allgemeine Begründungen wie den Rechtsmißbrauch zurück. Diese Begründung über Treu und Glauben zieht auch das OVG Saarlouis in einer Entscheidung von 1998 heran und bejaht ebenfalls den Anspruch auf die Baulast aus der Grunddienstbarkeit heraus.

Diese große Unabhängigkeit der Baulast von zivilrechtlichen Regelungen erklärt sich daraus, daß die Baulast ausschließlich öffentlich-rechtliche grundstücksbezogene Verpflichtungen des belasteten Eigentümers gegenüber der Baurechtsbehörde schafft. Auf die Rechtspositionen der Beteiligten bei der Durchsetzung der Baulast werde ich noch eingehen (s. F). Aber es sei hier schon angedeutet, daß sich auch dabei die Trennung von Zivil- und öffentlichem Recht wieder zeigen wird. Auch die ebenfalls noch darzustellende Beendigung der Baulast (s. G) ist jedenfalls der Verfügung der beteiligten Eigentümer entzogen, denn Voraussetzung hierfür ist ein Verzicht, den die Behörde zu erklären hat. Jedenfalls hat die Beendigung eines Begleitschuldverhältnisses oder die Löschung einer Grunddienstbarkeit keine Auswirkung auf die Baulast.

D. Was die Baulast alles kann!

Die Baulast macht den Weg zur Baugenehmigung frei, indem sie Voraussetzungen hierfür schafft, die zum Teil schon in den Landesbauordnungen vorgesehen sind, die darüber hinaus von der Rechtsprechung anerkannt worden sind. Zusammenfassend Zusammenfassend kann man sagen, daß eine Baulast tatsächliche Verhältnisse sichert, die im Bauordnungs-, Bauplanungsrecht, darüber hinaus aber auch - allerdings nicht ganz unstrittig - im Immissionsschutzrecht geregelt sein können. Nachfolgend will ich auf Beispiele eingehen, die Ihren beruflichen Interessen besonders entsprechen.

10. Fall: Baulast gegen Wohnungseigentum Um in einem Sondergebiet Vermietungen des gewerblichen Fremdenverkehrs in einem Fremdenverkehrsort zu erhalten, wurde als Baulast u.a. festgelegt, daß an den Ferienhäusern keine Wohnungs- oder Teileigentum erworben werden könne und die Ferienhäuser nicht zum Dauerwohnen genutzt werden können. Das OVG Lüneburg hat dies 1986 für zulässig erachtet, weil auch die zukünftige Verhinderung baurechtswidriger Nutzungen durch eine Baulast geregelt werden kann.

11. Fall: Überfahrbaulast

Aus den 2. Und 3. Fällen ergibt sich schon die Zulässigkeit einer solchen Baulast. Hinzuweisen ist hier nur noch darauf, daß es dabei auch dann bleibt, wenn die Gemeinde im Bebauungsplan eine Zufahrt vorsieht und deshalb zur Erschließung verpflichtet ist. Im Hintergrund steht hier die grundsätzliche Grenze einer Baulast: Sie ist dann nicht mehr zulässig, wenn sich die Pflicht schon unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Dann ist für eine Baulast kein Raum mehr, so der VGH Baden-Württemberg 1991.

12. Fall: Die unverbaubare Aussicht

Die Verpflichtung, eine Aussicht aus dem Nachbargebäude nicht zu verbauen, kann nicht Inhalt einer Baulast werden, wenn die Rechtmäßigkeit der Bebauung davon nicht abhängt. Denn dann handelt es sich nicht um ein baurechtlich bedeutsame Pflicht. Die Aussicht ist als solche baurechtlich nicht relevant.

Gleiches gälte für die Verpflichtung, ein Grundstück nicht zu veräußern. Auch wäre es nicht möglich, durch eine Baulast Mitbenutzungsrechte an einem Garten zu sichern. Unter Bezugnahme auf diese Begründung hat der VGH Baden-Württemberg 1994 die Ablehnung einer Baulasteintragung gebilligt, weil das Grundstück, für das die Baulast eine Zufahrt schaffen wollte, aus anderen Rechtsgründen - Lage im Außenbereich nach § 35 BauGB - eine Bebauung ausscheidet.

13. Fall: Die Pflanzlast

Eine Verpflichtung zur Bepflanzung und deren Erhaltung könnte dagegen durch eine Baulast gesichert werden. Denn selbst wenn dabei auch privatrechtliche Interessen der Nachbarn berührt werden, läßt sich die Anpflanzung auf Bestimmungen des Bauplanungsrechtes stützen ( § 9 Abs.1 Nr. 25 BauGB). Dies hat der VGH Baden-Württemberg 1986 gebilligt.

14. Fall: Baulast für den Altbauer

Unbestritten und oben bereits angedeutet können auch bauplanungsrechtliche Sachverhalte durch eine Baulast geregelt werden. In einem Fall des OVG Münsters von 1969 hatte ein Bauer die ständige Zuordnung des Altenteilerhauses zum landwirtschaftlichen Betrieb durch eine Baulast festgeschrieben.

15. Fall: Baulast gegen das Bauplanungsrecht

Die Baubehörde hatte bei der planungsrechtlichen Beurteilung eines Bauvorhabens einen Außenbereichsbau angenommen und deshalb im Rahmen einer Baulast angeordnet, daß gewisse Maßnahmen getroffen werden müssen, die das Bauwerk besser in die freie Landschaft einfügen. Das OVG Lüneburg kam in einer Entscheidung von 1995 jedoch zur Auffassung, daß noch ein Innenbereichsfall vorlag, der die Baulast unzulässig machte, weil sie dort die grundsätzlich gegebene Baufreiheit nicht wieder einschränken konnte.

16. Fall: Unüberbaubare Flächen

Solche sind in § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB zwar vorgesehen und können deshalb auch als bauplanrechtliche Regelung in eine Baulast gefaßt werden. Allerdings hatte die Bauherrin in dem Fall des VGH Baden-Württemberg von 1974 Glück, weil die Baubehörde in dem zunächst als freizuhaltenden Bereich später an anderer Stelle außerhalb des Grundstücks der Bauherrin einen Bau genehmigt hatte, so daß die planerische Festlegung hinfällig wurde.

17. Fall: Vereinigungsbaulast

Diese heute zumindest teilweise anerkannte Form der Baulast dient dazu, insbesondere bei der Teilung bereits bebauter Grundstücke die Zulässigkeit des ursprünglichen Bauvorhabens auf dem ungeteilten Grundstück festzuschreiben, wenn die Teilgrundstücke aber übermäßig ausgenützt werden. Jedes Grundstück ist dabei sowohl belastet als auch begünstigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat 1991 grundsätzlich diese Art der Baulast anerkannt, allerdings die Einschränkung gemacht, daß grundstücksbezogene Besonderheiten für eine solche Teilung vorliegen müssen, weil etwa bau- oder bodenrechtliche Regelungen sonst nicht verwirklicht werden können. Dieses Modell ist deshalb interessant, weil es eine Alternative zur Bildung von Wohnungseigentum darstellt. Eine Vorstufe zur Vereinigungsbaulast ist die Flächenbaulast. Hier übernimmt ein Grundstück bei der Ermittlung der Maße der baulichen Nutzung (z.B. GRZ, GFZ) einen bestimmten Anteil des Nachbargrundstückes, was die eigene Nutzung natürlich reduziert. Damit wird für den Nachbarn der Weg zu einer Befreiung frei.

18. Fall: Regelungen in der Landesbauordnung

Soweit noch nicht erwähnt nenne ich die Regelungen des Landesrechts Baden-Württemberg, die in entsprechender Form auch in den anderen Ländern üblich sind:

  1. ein Gebäude auf mehreren Grundstücken
  2. Anbaubaulast auf dem Nachbargrundstück bei eigenem Grenzbau
  3. Sicherung des Stehenbleibens gemeinsamer Bauteile im Fall des Abbruchs aneinandergrenzender baulicher Anlagen

19. Fall: Anlagen auf Nachbars Grundstück

Die für ein Bauvorhaben erforderlichen Anlagen können auch beim Nachbarn untergebracht werden, wenn sie durch eine Baulast gesichert sind. Beispiele hierzu sind: Kinderspielplätze, soweit baurechtlich notwendig, Treppen, Heizölbehälter, Flächen und Behälter für feste Abfallstoffe, Wasserversorgungsanlagen, Anlagen zum Sammeln von Niederschlagswasser oder Abwasser, Kläranlagen, Sicht- und Lärmschutz durch Hecken (s. 13. Fall).

20. Fall: Die Pflicht zum Heizen bei den Wohnungseigentümern

In einer vom OVG Berlin 1993 zu prüfenden Baulast war die Verpflichtung enthalten, das Nachbargebäude zu beheizen, solange dieses zu Wohnzwecken genutzt wird. Das Gericht hat diese Pflicht auch nicht deshalb entfallen lassen, weil das begünstigte Gebäude nach Begründung der Baulast in Wohnungs- und Teileigentum umgewandelt wurde (s 31. Fall).

Generell kann eine Baulast auch eine Pflicht zum Handeln festlegen. Im 1. Fall oben etwa die Pflicht, Tore für Durchfahrten zu öffnen, oder die Pflicht der Erneuerung oder Wartung von Geräten.

21. Fall: Die perfekte Harmonie

Eine Baulast kann auch verpflichten, ein Gebäude gestalterisch oder farblich an das Nachbargebäude anzupassen. Gleiches kann man auch für die Oberfläche oder die Höhenlage eines Grundstückes vereinbaren.

22. Fall: Keine Freiheiten unter dem Dach

In einem Fall des VGH Baden-Württemberg von 1968 hatte die Bauherrin sich verpflichtet, in ihrem Haus das Dachgeschoß nicht zu einer selbständigen Wohnung auszubauen. Diese Unterlassungspflicht wurde auch durch eine Baulast gesichert. Der Ehemann hielt sich nicht an die Baulast, worauf das Landratsamt die Beseitigung der zum Wohnen erforderlichen Ausstattungsgegenstände gegen den Ehemann anordnete. Dies billigte das Gericht (s. 33. Fall).

23. Fall: Abbruchpflicht

Der Grundstückseigentümer kann sich durch Baulast auf seinem Grundstück (Eigenbaulast) verpflichten, ein Gebäude auf seinem Grundstück abzubrechen, um auf dieser Fläche Stellplätze für sein eigenes, zu errichtendes Wohngebäude zu schaffen.

24. Fall: Die Baulast mit Geruch

Eine Lösung von Problemen des Immissionsschutzes durch eine Baulast begegnet bisher Bedenken in der Rechtsprechung. Im Fall des VGH Kassel von 1995 hatte der Bauherr eines Wohngebäudes in unmittelbarer Nähe eines landwirtschaftlichen Anwesens mit Schweinezucht und -geruch zunächst eine Baulast mit dem Inhalt abgegeben, daß er die Immissionen des Landwirtes dulden werde. Das Gericht verwies nur darauf, daß damit kein taugliches Mittel der Konfliktbewältigung zwischen den unterschiedlichen Nutzungen vorliege.

Zum gleichen Ergebnis kommt der VGH Baden-Württemberg in einer Entscheidung ebenfalls von 1995: Der öffentliche Belang der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen wie das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme können nicht Gegenstand privater Verzichtserklärungen sein. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn künftige Nutzungskonflikte entfielen. Dazu saßen die Beteiligten aber zu nahe aufeinander.

E. Was bei der Entstehung der Baulast zu beachten ist.

25. Fall: Vier kleine Miterben...

In einem Fall des VGH Mannheim von 1990 bestellte die Mutter nur in ihrem Namen eine Baulast zu Gunsten eines Nachbargrundstückes, wodurch diesem Stellplätze geschaffen werden sollten. Die Mutter lebte in einer Erbengemeinschaft mit ihren minderjährigen 4 Kindern. Der Begünstigte der Baulast ersah in dem sein Bauvorhaben betreffenden Lageplan nur das Eigentum der Mutter, nicht jedoch auch das der Kinder. Später und zwar erst nach 18 Jahren beantragten die Kinder in ihrem Namen die Lösung, da keine Vollmacht der Mutter vorgelegen habe und es auch an der vormundschaftlichen Genehmigung fehlte. Die Baubehörde gab dem Antrag nicht statt, da er dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspreche. Die Gerichte sahen das aber anders und lies die Löschung der Baulast zu. Wir werden noch über die Folgen des nachträglichen Wegfalls der Baulast sprechen. Hier sei schon gesagt, daß dies auf die baurechtliche Zulässigkeit des inzwischen errichteten Gebäudes keine Auswirkung mehr hat. Aber es besteht jedenfalls keine öffentlich-rechtlich gesicherte Stellplatzfläche mehr. Und ob zivilrechtlich noch ein Anspruch auf die Fläche besteht, ist eine andere Frage, die möglicherweise jetzt zu einer neuen Pachtforderung führen kann.

So selten sind die Fälle sicherlich nicht, denn sonst hätte nicht das OVG Münster 1995 nochmals diese Rechtsfrage des minderjährigen Baulastenbestellers entscheiden müssen. In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf verwiesen, daß dem Baulastenverzeichnis kein Gutglaubensschutz zukommt. Die Baulast wird ausschließlich im öffentlichen Interesse bestellt. Ohne Baulast auch keine Baugenehmigung. Aber der Fall zeigt auch, daß sich auch jeder Beteiligte die Frage stellen sollte oder besser muß, ob die Baulast überhaupt wirksam bestellt werden kann. Die Behörde soll zwar die Wirksamkeit der Baulastenerklärung prüfen, denn sonst ist das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig. Mißlich sind nur die Fälle, wo die Behörde die Mängel nicht erkennt. In gleicher Weise sind natürlich Erklärungen von Vorerben mit Vorsicht zu genießen. Auch über die Rechte des Erbbauberechtigten kann man bei der Bestellung teil eines Erbbaurechtes geworden ist, kann dagegen nur der Erbbauberechtigte eine Baulast übernehmen, nicht dagegen der Grundstückseigentümer. Wenn eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist oder auch der Vermerk über eine Zwangsversteigerung, dann kann keine Baulast ohne Zustimmung der Berechtigten mehr eingetragen werden. Andererseits wird eine bestehende Baulast durch den Eigentümerwechsel in der Zwangsversteigerung nicht berührt. Anders wiederum sind Grundpfandrechte (z.B. Hypothek) zu beurteilen. Auf Grund vertraglicher Pflichten mag sich der Eigentümer durch die Bestellung einer Baulast vertragswidrig verhalten, wirksam ist die Baulast jedenfalls.

26. Fall: Fehlende Geschäftsfähigkeit

Im Grundsatz hat, wie wir bereits bei der Grunddienstbarkeit gesehen haben, die zivilrechtliche Vereinbarung nichts mit der Bestellung der Baulast zu tun. Es gibt aber auch hierzu eine Ausnahme: Wer geschäftsunfähig ist, kann natürlich auch nicht eine Baulast wirksam bestellen, denn die Regeln der Geschäftsfähigkeit gelten auch für Willenserklärungen im öffentlichen Recht. Man tut also auch hier gut daran, sich seinen Geschäftspartner genau anzuschauen.

27. Fall: Baulast und Wohnungseigentum

Eine Baulast kann jeweils gesondert am Wohnungs- wie am Teileigentum begründet werden, wobei die zweite Variante sicherlich geringere Bedeutung haben dürfte. Eine Baulast am Wohnungseigentum verpflichtet alle Wohnungseigentümer, nur sie alle zusammen können auf Übernahme einer Baulast verklagt werden, wenn sie eine entsprechende Verpflichtung nicht erfüllen. In der Gemeinschaft müssen alle Eigentümer zustimmen, nicht nur eine Mehrheit hiervon. Denn es geht nicht nur um eine Verwaltungsmaßnahme.

28. Fall: Die Baulast in der Anfechtung: Irren ist menschlich

In einem Fall des VGH Baden-Württemberg von 1984 stellte der Besteller einer Baulast hinterher überrascht fest, daß er entgegen seinen Vorstellungen mit der Baulast auch ein weiteres Grundstück belastet hatte, was er aber nicht wollte. Weil die Baulast einen öffentlich-rechtlichen Sicherungszweck hat, ist sie der privaten Verfügung entzogen und kann deshalb auch nicht mehr wegen eines Erklärungs- oder Inhaltsirrtums angefochten werden.

29. Fall: Anfechtung 2: Arglist kommt vor dem Fall

Toller trieb es ein Bauherr, der dem Nachbarn von dem geplanten Umbau seines Hauses erzählte, worauf dieser ihm eine Baulast gewährte. Hinterher wurde aber ein kompletter Neubau daraus. Hier hat das OVG Nordrhein-Westfalen 1987 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zugelassen. Allerdings hat das Gericht verlangt, daß die Behörde als Empfänger der getäuschten Erklärung diese Täuschung zumindest kennen mußte (s.a. 35. Fall).

F. Die Durchsetzung der Baulast

Zur Erinnerung (s. 9. Fall): Die Baulast begründet rechtliche Beziehungen nur gegenüber der Bauaufsichtsbehörde, vom Interesse des begünstigten Grundstückseigentümer hängt sie nicht ab. Er hat auch kein privates Recht auf die Durchsetzung der Baulast. Er täte aber gut daran, sich ein solches durch eine zusätzliche vertragliche Regelung zu schaffen.

30. Fall: Krach an der Grenze

Ein Grundstückseigentümer wendet sich mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht gegen die seinem Nachbarn erteilte Baugenehmigung, die seiner Auffassung gegen eine gleichlautende Baulast auf beiden Grundstücken verstieß. Nach dieser sollten bauliche Anlagen im Bereich der Grenze zum jeweiligen Nachbargrundstück in gleicher Tiefe, Höhe und Gestaltung errichtet werden. Der betroffene Nachbar war der Ansicht, das Vorhaben dürfe keine größere Tiefe als 11 m haben und müsse auch bei der Höhe und Gestaltung sich nach seinem Gebäude richten.

Der VGH Kassel gab dem Antrag in einem Beschluß von 1992 nicht statt. Der betroffene Nachbar hat aus der Baulast kein subjektiv öffentliches Recht, was eine Klage erst ermöglichen würde. Das Gericht prüft dann noch andere baurechtliche Ansprüche des Nachbarn (Rechtsschutz des Nachbarn gegen Baugenehmigungen), die es im Ergebnis ebenfalls ablehnt und auf die hier nicht einzugehen ist.

31. Fall: Wenn die Behörde will...

Im bereits genannten (20.) Fall des OVG Berlin von 1993, bei dem eine Baulast zur Heizung eines Gebäudes bestellt worden war, stellte der Verpflichtete die Lieferungen ein. Damit war die Erschließung des begünstigten Gebäudes nicht mehr gesichert. Das zuständige Amt ordnete die Durchführung dieser Maßnahmen an, was auch vom Gericht gebilligt wurde.

32. Fall: Abbruch durch Baulast

Im Fall des VGH Baden-Württemberg aus dem Jahr 1983 hatte ein Bauherr auf seinem Grundstück Betonsteine eingesetzt, die es dem Nachbarn unmöglich machten, die durch Baulast gesicherte Zufahrt zu seinem Grundstück jederzeit uneingeschränkt und ungehindert zu nutzen. Die Behörde ordnete zu Recht die Beseitigung der Steine an.

33. Fall: Wenn der Stellplatz nicht gesichert ist...

...kann die Behörde eine Verfügung erlassen, die den belasteten Eigentümer verpflichtet, den Schlüssel für den Stellplatz herauszugeben, so das OVG Lüneburg 1983. Allerdings auch hier nicht aus einem privatrechtlichen Anspruch heraus, sondern aus der bauordnungsrechtlichen Regelung zur Erfüllung der Stellplatzpflicht. Dumm gelaufen ist die Sache dagegen für den Begünstigten im Falle der Entscheidung des OVG Lüneburg von 1995. Denn als der Begünstigte sah, daß der Nachbar die Stellplatzfläche überbauen wollte, mußte er feststellen, daß die Baulast nicht eingetragen war. Er konnte die Bebauung öffentlich-rechtlich nicht abwehren und hatte auch keine zivilrechtlichen Ansprüche. Vor dem Baulastenverzeichnis sprach ich schon (5.Fall) und werde dies unter H. auch nochmals tun. Der 22. Fall hat Ihnen schon gezeigt, daß eine Ordnungsverfügung auch gegen einen Dritten, nicht nur gegen den Grundstückseigentümer erlassen werden kann.

G. Untergang der Baulast durch Verzicht oder Anfechtung

Wenn ein öffentlich-rechtliches (!) Interesse an der Baulast nicht mehr besteht, muß ein Verzicht durch die Baurechtsbehörde erklärt werden. Der privatrechtliche Verzicht des begünstigten Grundstückeigentümers hat dagegen keine Bedeutung. Im 32. Fall erging die Verfügung der Behörde zur Beseitigung der Steine, die das Gericht dann billigte, obwohl der Begünstigte privatrechtlich auf die Baulast verzichtet hatte.

34. Fall: Rechtsschutz gegen den behördlichen Verzicht

Im Fall des OVG Nordrhein-Westfalen von 1986 wehrte sich ein Begünstigter gegen den Verzicht durch die Behörde, weil er damit sein Wegerecht über das nachbarliche Grundstück verloren hätte. Das Gericht bestätigte das klageabweisende Urteil in der 1. Instanz. Dem Kläger steht kein Recht aus der Baulast zu. Die Baulast sichert nur öffentliche Interessen. Grund auch hier wieder, auf die Notwendigkeit zivilrechtlicher Abreden hinzuweisen.

35. Fall: Keine Baurechtswidrigkeit nach Wegfall der Baulast durch Anfechtung

Welche Rechtsfolge hat die zulässige Anfechtung der Baulastbestellung, auf die ich oben schon beim 29. Fall eingegangen bin. Der VGH Baden-Württemberg wies 1975 schon darauf hin, daß die Baugenehmigung, die nach der Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erteilung zu beurteilen ist, damit nicht nachträglich rechtswidrig werden kann.

H. Das Baulastenverzeichnis

Die schon in die vorausgegangenen Fälle eingestreuten Informationen fasse ich hier nochmals kurz zusammen: Überwiegend ist die Eintragung in das Verzeichnis für die Entstehung der Baulast Voraussetzung. Nur in wenigen Bundesländern genügt der Eingang des Antrages. Das Muster eines Baulastenblattes zeige ich Ihnen (Folie 4 ). Eine eingetragene Baulast habe ich Ihnen schon gezeigt (Folie 3). Das Verzeichnis hat keinen rechtsbegründenden Charakter, sondern nur deklaratorischen: Was darin steht, genießt nicht anders als beim Grundbuch öffentlichen Glauben. Daß man aber trotzdem hinein schauen muß, zeigte der 33. Fall .