Befürchtung einer Gesundheitsgefahr: Mangel eines Gewerberaums

Mangel eines Gewerbemietraums

BGB § 536 n.F. = § 537 a. F.

1. Ist ein Mietobjekt mit einem Schadstoff belastet, bei dem die Unzumutbarkeit einer potentiellen Gefährdung nicht hinreichend sicher an festgelegten Grenzwerten zu messen ist, so ist das Mietobjekt schon deshalb mangelhaft, wenn und weil es nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung genutzt werden kann.

2. Hinsichtlich des Zeitpunktes für die Beurteilung dessen, was an Schadstoffen hinzunehmen ist, ist bei einem Mietverhältnis nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern auf den der jeweiligen Rechtsfolge abzustellen; die Veränderung von Anschauungen in Bezug auf Gesundheitsrisiken ist bei langfristigen Schuldverhältnissen, wie einem Mietverhältnis, zu berücksichtigen. OLG Hamm, Urteil vom 13.2.2002, ZfIR 2002, 812 ff.

Sachverhalt

1969 mietete die Hauptmieterin ein Hausgrundstück auf 30 Jahre und vermietete 1974 einen Teil des Erdgeschosses an ein Kaufhaus. Bei Mietereinbauten durch die Hauptmieterin nach Beginn des Mietvertrags wurden in den Lüftungskanälen und bei Abdeckungen von Stahlträgern asbesthaltige Materialien verwendet. Bei Umbauarbeiten im Jahr 1998 wurden auch die Lüftungskanäle entfernt, wobei Asbest freigesetzt wurde. Die notwendigen Prüfungen durch Sachverständige und Sanierungsarbeiten dauerten ca. 14 Monate. Ein Lager des Kaufhauses musste dabei wegen der Asbestbelastungen geschlossen und ersatzweise vorübergehend an anderer Stelle im Haus der Hauptmieterin eingerichtet werden.

Für das Ladenlokal selbst bestand nach dem Urteil des Sachverständigen keine akute Gesundheitsgefährdung, so dass dieses ohne Unterbrechung fortgeführt werden konnte. Gesundheitsschäden bei Personen, die sich in den belasteten Räumen aufgehalten haben, konnten nicht festgestellt werden. Wegen des von dem Kaufhaus einbehaltenen Mietzinses kam es zu dem Klageverfahren des Hauptmieters. Das OLG Hamm gewährte für die Zeit der Asbestkontaminierung von 14 Monaten eine Mietminderung von 50 %.

Begründung

Die Belastung der Mieträume stellt einen Fehler der Mietsache dar. Die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch war während der asbestbelasteten Zeit eingeschränkt, selbst wenn es zu keinen nachweisbaren Gesundheitsschäden gekommen ist. Das Gericht stellt dabei nicht darauf ab, ob es infolge der Baumaßnahmen bei der Sanierung zu Einschränkungen bei der Nutzung der Mietsache gekommen ist. Die Mietminderung ist vom Anspruch auf Schadensersatz zu trennen.

Maßgeblich für die Frage einer Gesundheitsgefährdung sind zunächst die in Richtlinien festgelegten Grenzwerte. Dies ist gefestigte Meinung in der Literatur. Das Gericht sieht einen Mangel aber auch dann unter Verweis auf seine vorausgegangene Rechtsprechung als gegeben an, wenn die bloße Befürchtung einer Gefahr z. B. für die Gesundheit vorliegt. Um hier die Türe nicht für bloße Spekulationen zu öffnen, weist das Gericht darauf hin, dass die Besorgnis begründet sein muss.

Bezüglich des Zeitpunktes, zu der diese Gefahrbeurteilung erfolgen muss, weist das Gericht auf den Zeitpunkt hin, zu dem Rechtsfolgen hieraus abgeleitet werden sollen. Es geht also sicherlich nicht um den historischen Zeitpunkt des auch hier weit zurückliegenden Vertragsabschlusses, sondern um den Zeitpunkt des beginnenden Risikos für die Gesundheit .

Umsetzung für die Praxis

Die Dynamik des Umweltrechts trifft nach dieser Entscheidung das Mietrecht ohne jede Einschränkung. Holzbehandlungsmittel, Altlasten im Boden oder Belastungen des Trinkwassers durch alte Leitungen sind andere denkbare Risiken für den Vermieter. Dieser Gesichtspunkt hat deshalb besondere Bedeutung, weil der Vermieter im Übrigen bei der Ausstattung und dem Standard seiner Mietsache nicht verpflichtet ist, solche Entwicklungen nach Vertragsabschluss durch bauliche Nachbesserungen nachzuholen. Wenn also der Wärmeschutz verbessert worden ist, dann muss der Vermieter hier nicht nachbessern, wenn die Mietsache die ursprünglichen vertraglichen Voraussetzungen erfüllt.

Das Urteil zeigt auch Folgerungen für die Vertragsgestaltung auf. So ist es notwendig, die Nutzung der Mietsache auch durch mögliche Untermieter im Vertrag möglichst genau festzulegen, um später eine Gefahrerhöhung mit den hier eingetretenen Folgen für den Vermieter auszuschließen. Im vorliegenden Fall handelte es sich bei dem Nutzer um ein Kaufhaus. Was wären aber die Folgen für den Vermieter, wenn ein Lebensmittelgeschäft oder eine Bäckerei mit ihren gefährdeteren Waren die Räume auch genutzt hätten? Schließlich ist auch der Begriff der "begründeten Gefahrbesorgnis", den das Gericht verwendet, der Auslegung offen.

Das Umweltrecht zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht immer die auch vom Gericht zunächst für maßgeblich erachteten staatlich festgelegten Grenzwerte o. Ä. gibt. Oft liegen statt dessen nur Zahlenwerte von Verbänden oder Behörden vor, die aber nicht von Gesetzgeber wenigstens mittelbar durch eine Verordnung gebilligt wurden. Ein Beispiel für diese Regelungsvielfalt war z. B. der Boden vor der auf das Bundesbodenschutzgesetz gestützten Verordnung vom Sommer 1999, die aber auch noch nicht eine ausreichende Zahl von Grenzwerten enthält. Der Vertrag muss deshalb zumindest eine Regelung enthalten, die zur Beurteilung der möglichen Gefahren auf staatlich geschaffene oder zumindest staatlich anerkannte und praktizierte Werte abstellt. Sinnvollerweise ist hier ein Bezug auf die von der jeweiligen zuständigen Fachbehörde im eigenen Bundesland angewandten Werte zu empfehlen. Denn wenn öffentlich-rechtlich eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr möglich wird, dann kann man davon ausgehen, dass auch die Tauglichkeit der Mietsache nicht mehr gegeben ist. Es gilt also, die Weichen vor Vertragsabschluss richtig zu stellen!